Blickpunkt
Das große Warten – auf Corona-Hilfen, Gäste, Kunden
Mit Milliardenhilfen versucht der Staat, die Wirtschaft in der Corona-Pandemie zu unterstützen. Die IHK Köln informiert, was für wen möglich ist.
Seit einem Jahr kämpft Sylvia Fehn-Madaus mit der Corona-Krise. „Direkt nach Karneval ging es los mit den Stornierungen“, sagt die Geschäftsführerin der Kölner Em Krützche Gaststätten GmbH. Immerhin: Der Verpächter stundete die Pacht, Ende 2020 erließ er sie teilweise sogar ganz. Dank Kurzarbeit, Überbrückungshilfen und Soforthilfe im Frühjahr konnte die Gastronomin den Umsatzverlust etwas reduzieren – von 60 auf 50 Prozent. Die für November und Dezember zugesagten Hilfen kämen allerdings nur sehr schleppend, kritisiert Fehn-Madaus. Schon lange muss sie auf Rücklagen zurückgreifen - wie Sie im Interview schildert.
„Die für November und Dezember zugesagten Hilfen kommen nur sehr schleppend.“ Sylvia Fehn-Madaus, Em Krützche.
Foto: Olaf-Wull Nickel
Bei Thomas Lierz, geschäftsführender Gesellschafter der TOM HOTELS GmbH, tendierten die Einnahmen im Januar 2021 sogar gegen null. Nur noch selten buchten Geschäftsreisende ein Zimmer. Er sei dankbar für die staatlichen Hilfen, schildert er im Interview, fordert aber auch: „Wir brauchen dringend eine langfristige Strategie für den Umgang mit dem Virus – nicht länger nur kurzfristige Maßnahmen dagegen. Denn das Virus wird uns noch eine Zeit lang begleiten.“
Rund 506 Milliarden Euro haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen für Corona-Hilfen im Jahr 2020 eingeplant. Doch viele Hilfen lassen weitgehend auf sich warten, während die Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Rechnungen begleichen müssen. Software-Probleme, Bürokratie und Dauer der EU-Notifizierungen bremsen die Auszahlungen. „Bei den Programmen gibt es eine unübersichtliche Vielzahl von Einzelfallregelungen. Ob jemand antragsberechtigt ist und, wenn ja, in welcher Höhe, ist oftmals schwer herauszufinden“, kritisiert Alexander Hoeckle, Geschäftsführer International und Unternehmensführung bei der IHK Köln. Unerfreulich sei zudem, dass „die FAQs der Programme laufend nachgeschärft werden. So ist bei der Überbrückungshilfe II und III erst jüngst das Beihilferecht im Punkt der ungedeckten Fixkosten präzisiert worden.“ Immerhin: Viele Programme wurden verlängert, Zugänge zumindest zum Teil vereinfacht.
„Wir brauchen dringend eine langfristige Strategie.“ Thomas Lierz, TOM HOTELS.
Foto: Olaf-Wull Nickel
November- und Dezemberhilfen
Jüngste Änderung, die Mitte Januar kam: Die Antragsfrist für die November- und die Dezemberhilfe (Umsatzkompensation) wurde verlängert. Von Schließung betroffene Unternehmen und Selbständige können jetzt noch bis zum 30. April 2021 diese Hilfen beantragen. Für den Antrag müssen sich Unternehmen an ihre/-n Steuerberater/-in oder Wirtschaftsprüfer/-in wenden. Soloselbständige, die bislang keinen Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt haben, können direkt im eigenen Namen (ohne prüfenden Dritten) bis zu 5.000 Euro beantragen.
Überbrückungshilfen
Die Überbrückungshilfe II für den Zeitraum September bis Dezember 2020 kann nun bis 31. März beantragt werden – bisher lief die Antragsfrist bis 31. Januar.
Die Überbrückungshilfe III gilt für Unternehmen, die unmittelbar und mittelbar vom Lockdown ab 16. Dezember 2020 betroffen sind, und läuft von Januar bis Ende Juni 2021. Ihnen wird, gestaffelt nach Umsatzeinbruch, DERZEIT bis zu 90 Prozent der ungedeckten Fixkosten erstattet, maximal 500.000 Euro pro Monat. Die Antragstellung läuft über Steuerberater/-in oder Wirtschaftsprüfer/-in. Wie das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Website mitteilt, soll die Antragstellung im Februar möglich sein.
Neustarthilfe und KfW-Kredite
Zu den Corona-Programmen zählt auch die Neustarthilfe für Soloselbständige, mit der bis Juni 2021 eine einmalige Betriebskostenpauschale – abhängig vom Umsatzeinbruch – gewährt wird. Erst kürzlich wurde diese von 5.000 auf 7.500 Euro erhöht.
Weiterer Hilfsbaustein sind die KfW-Kredite. So der KfW-Schnellkredit für Selbständige und Unternehmen. Dieser kann unabhängig von der Zahl der Beschäftigten von Unternehmen beantragt werden, die mindestens seit Januar 2019 am Markt sind. Der KfW-Schnellkredit wurde bis zum 30. Juni 2021 verlängert und läuft über die Hausbank. Finanziert werden bis zu 800.000 Euro für Anschaffungen und laufende Kosten.
Daneben gibt es noch den KfW-Unternehmerkredit für etablierte Unternehmen, die seit mindestens fünf Jahren am Markt sind. Über diesen werden Kredite bis zu 100 Millionen Euro für Anschaffungen und laufende Kosten gewährt.
Dabei darf allerdings nicht vergessen werden: „Anders als bei den nicht rückzahlbaren Fördermitteln sollten Unternehmer einkalkulieren, dass sie bei den Krediten nach einer tilgungsfreien Anlaufzeit von bis zu zwei Jahren nicht nur Zinsen zahlen, sondern auch das Darlehen tilgen müssen“, warnt Hoeckle.
Ausbildungsprämien
Stark getroffen hat Corona auch den Ausbildungsmarkt, denn eine reguläre Ausbildung ist unter Pandemie-Bestimmungen nur erschwert möglich. Viele Unternehmen zögern, in der derzeitigen Situation Auszubildende einzustellen. Mit der Ausbildungsprämie für kleine und mittelgroße Betriebe werden Ausbildungsanstrengungen unterstützt. Finanziert wird dies aus dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“, das bis Juni 2021 verlängert und erweitert wurde.
„Ich verstehe nicht, wieso ein Finanzierungskonzept nicht bereits nach Prognose eines zweiten Lockdowns im Sommer ausgearbeitet worden ist.“ Alexandra Eßer, Geschäftsführerin der Apart Parfümerie in Köln.
Foto: Olaf-Wull Nickel
„Endlich wieder öffnen dürfen“
Wie Sylvia Fehn-Madaus und Thomas Lierz gehört Alexandra Eßer mit ihrer Parfümerie zu den von Corona besonders gebeutelten Branchen. „Im Winter lag unser Umsatz unter der Hälfte des Vorjahres“, erzählt die Geschäftsführerin der Parfümerie Apart in Köln im Interview. Nach Ende des Lockdowns will sie mit einem größeren Angebot in den Kosmetikkabinen und gegebenenfalls einem Onlineshop für Stammkunden gegensteuern. Mit einem Bankkredit will sie sich allerdings nicht verschulden, sondern erwartet eine zügige Auszahlung zugesagter Staatshilfen. Staatshilfen, die nicht immer die Realität abbilden. Zum Beispiel, wenn Unternehmen Unterstützung nur für ihre Fixkosten erhalten. „Wer geringe Fixkosten hat, lebt seit Monaten von den eigenen Reserven. Viele kleine Betriebe werden das wirtschaftlich nicht überleben!“, warnte jüngst IHK-Präsidentin Nicole Grünewald und wies auf weitere Fehler im System hin – wie die Tatsache, dass ein Unternehmen mit vielen Filialen nur einen Antrag für alle stellen kann. Die verbesserten Möglichkeiten der Abschreibung seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, letztlich ersetzt diese Regelung aber nur die in der Vergangenheit entstandenen Kosten, nicht den Gewinn, der zum Überleben notwendig ist.
Zukunft? – Ein großes Fragezeichen
Die große Frage derzeit: Wie soll es weitergehen? „Da hab ich nur ein großes Fragezeichen“, sagt Jürgen Albishausen, Wirt des „Zwitscherhäuschen“ in Köln-Vogelsang. November- und Dezemberhilfen haben ihm zwar geholfen, „aber bei Weitem noch nicht mal die Fixkosten gedeckt“, berichtet er im Gespräch mit IHKplus. Wie viele andere Gastronominnen und Gastronomen, Einzelhändlerinnen und -händler, Reisebüros, Event-Veranstaltende, Fitness- oder Kosmetikstudios will er einfach nur eines: „Dass unsere Hygienekonzepte, in die wir viel investiert haben, anerkannt werden und wir endlich wieder öffnen dürfen.“
„Die Corona-Hilfen decken noch nicht einmal die Fixkosten.“ Jürgen Albishausen, „Zwitscherhäuschen“. Mehr im Video-Interview: youtube.com/ihkkoeln
Foto: Michael Claushallmann
„Die Zeit ließe sich nutzen, um Attraktivität und Sicherheit Kölns zu verbessern und so den Standort für die Zukunft zu stärken.“ Leon Heymann, Geschäftsführer der Zeitlos GmbH, Hotel am Augustinerplatz.
Foto: Michael Claushallmann
„Wenn sich im Frühjahr die Zahlen nicht deutlich ändern, geht mir die Kraft aus.“ Iris Rinnus, Inhaberin des Hotels Alt-Rodenkirchen in Köln.
Foto: Olaf-Wull Nickel
„Es ist sehr frustrierend, dass mich alle Bemühungen nicht vor einem zweiten Lockdown bewahrt haben.“ Britta Brechtefeld, Inhaberin „Pilates Bodymotion“ in Köln.
Foto: Olaf-Wull Nickel
Previous
Next